"Ein Knüller, ein Kracher" . . . die Dieter Erbacher Story
 

Er war eine der schillerndsten Figuren im internationalen Skizirkus, beherrschte die Pisten und Pressekonferenzen, vor allem aber die Aprés-Ski-Parties sämtlicher Hütten Europas.
Er wurde zu einer der tragischsten Figuren der Ski-Weltelite, verschwand jahrelang fast gänzlich von der Bildfläche, geriet in Vergessenheit. Doch Dieter Erbacher wäre nicht Dieter Erbacher, ließe er sich vom Schicksal den Spaß verderben. Getreu seinem Zitat "Da wo I bin da is die Stimmung garantiert" ist der exzentrische Brettartist nun zurück. Mit neuen Plänen und neuen Zielen zwar, sonst aber immer noch die Persönlichkeit die ihn berühmt machte - ungestüm und nicht zu bremsen!

Wer ist dieser Dieter Erbacher?

In Mittelhessen geboren kam er aufgrund der Wintersportleidenschaft seiner Eltern schon früh mit dem für die Region eher untypischen Skisport in Kontakt. Alljährliche Skiurlaube boten ihm die Gelegenheit diese stetig wachsenden Leidenschaft auszuüben und zu perfektionieren. Die Ausbildung in einigen der besten Skischulen Italiens, Frankreichs, Österreichs und der Schweiz ließ auch seitens der Skilehrer keine Zweifel an seinem Talent. So attestierte ihm bereits in frühester Jugend der Grand Seigneur der französischen Skilehrer-Innung, Didier Doudu,: "Dieter, you can't control your speed!"
Damit traf er den Nagel auf den Kopf: Die rasante Art in der Dieter Erbacher sich mit seinen oftmals viel zu kurzen Ski ins Tal stürzte versetzte regelmäßig Beobachter in Angst und Schrecken. Auch Dieter selbst wurde allmählich klar, das es Verschwendung sei, dieses Naturtalent ungenutzt zu lassen. Sein Entschluss stand fest: er würde Mittelhessen verlassen und ins internationale Skiweltcupgeschäft einsteigen.
Leider war Dieter Erbacher nie von besonders schneller Auffassungsgabe und inzwischen schon fast zu alt: Keine Chance auf einen Platz in der deutschen Nationalmannschaft, die auf jüngere Talente setzte.
Während ihm noch vor Jahren Tür und Tor offen gestanden hatten war es nun lediglich der Skiverband Liechtenstein, der bereit war Dieter eine Chance zu geben. Er ergriff sie und siedelte über. Da es den Liechtensteinern an Geld nicht mangelte und sie sich aus Prestigegründen einen erfolgreichen Platz in der Weltcup-Saison 1986 zum Ziel gesetzt hatten standen Erbacher hier optimale Trainingsmöglichkeiten sowie die besten Sportwissenschaftler und Trainer zur Verfügung. Sie sollten jedoch schnell erfahren, dass Erbacher kein Freund großen Trainingsaufwandes war. Er verließ sich lieber auf sein Talent. "Wer trainieren muss ist untalentiert und sollte besser gleich aufgeben," lautet eines seiner bekanntesten Zitate neben "Fuck Technik - Speed matters!"
Erfolgsgarant bei dieser Philosophie war seine schon damals im Skizirkus überdurchschnittliche Leibesfülle, deren Masse er geschickt in Geschwindigkeit umzusetzen verstand. Technik interessierte ihn nie und so wurde sein vor allem beim Slalom unorthodoxer Stil - mit weit nach hinten gestrecktem Gesäß und dem typischen "Um-die-Kurven-hüpfen" - berühmt. Dieser typische Stil war es, der ihm seinen ersten Spitznamen einbrachte. Bald nannte ihn jeder nur noch die "Pistenkröte".
Von solchen Sticheleien ließ sich Erbacher jedoch nie beeindrucken. Er antwortete auf der Piste, gewann bereits in seiner ersten Saison 3 Rennen. Noch bekannter wurde er jedoch durch seine Eskapaden jenseits der Piste. Sich offensichtlich an seinem schnellen Erfolg selbst berauschend machte er sein Leben zu einer permanenten Siegesfeier.
Keine Skihütte, keine Aprés-Ski-Party war vor seinem überschäumenden Temperament, seiner aufdringlichen Fröhlichkeit und seinem ungezügelten Feierinstinkt sicher. Scharen williger Frauen und Alkohol aller Arten wurden seine unverkennbaren Markenzeichen. Die von ihm selbst ausgerichteten Feiern wurden immer gigantische, arteten schließlich in zügellose Exzesse aus. Dabei verstand es Dieter Erbacher, dank seines geschäftstüchtigen Managers, sein neues Image in klingende Münze umzusetzen. So wurde etwa der von ihm eingeführte Longdrink "Erbacher Apocalypse", eine Mischung aus Wodka und Sanostol, für eine Saison zum Renner auf allen Hütten. Auch der Stimmungsschlager "I bin a Knüller, i bin a Kracher, i bin der Dieter - Dieter Erbacher" den er einsang, schlug ein wie eine Bombe. Er verkaufte sich innerhalb von vier Wochen 200.000 Mal. Da störte es auch nicht, dass böse Zungen - nicht zu unrecht - behaupteten Dieter Erbacher sei besser im Feiern als im Singen. Unverwechselbar wurde schon damals sein Hühnerhut, den er bei seinen Liveauftritten und bei allen Parties trug. Ihm verdankte er einen weiteren Spitznamen, "das verrückte Huhn von Kaprun".
Dieter Erbacher pflegte von nun an das Image des Playboys und Partylöwen. Die Farbe seines Rennanzugs wechselte er vom schlichten Blau in ein pailletten-besticktes Silber und Gold und startete fortan unter dem Namen "Diamond Dieter". Und obwohl er bei Konkurrenten und Trainern weitgehend auf Unverständnis stieß, sollte er in der folgenden Saison erfolgreicher sein als je zuvor - und tiefer fallen als es irgend jemand erwartet hätte.
Es war der Winter des Jahres '86. Nur noch drei Weltcupläufe standen aus. Die gesamte Konkurrenz war weit abgeschlagen, das Feld der Titelanwärter hatte sich auf zwei reduziert. An der Spitze lag Mark Giradelli, der eine beeindruckende Saison fuhr, dahinter mit nur fünf Punkten Rückstand "Diamond Dieter" Erbacher. Nach wie vor hielt Dieter, dem die Herzen insbesondere des weiblichen Publikums zuflogen, Training für Hokuspokus. Er konzentrierte sich außerhalb der Rennwochenenden lieber auf's Feiern - so könne er sich am besten entspannen, wie er selbst feststellte. Immer häufiger jedoch ließ er sich angesichts seines Erfolges und aufgrund seines ins Unendliche steigenden Selbstbewusstseins zu abfälligen Bemerkungen über seinen Konkurrenten hinreissen. So bezeichnete er den unauffälligen Sportler während einer Pressekonferenz als "verkümmerten Schwanzlurch der an einem Abend noch nicht einmal zwei Flaschen Jägermeister trinken könne." Solche und ähnlich geringschätzige Äußerungen häuften sich, führten jedoch dazu, dass auch seine Anhänger sich immer mehr von Dieter Erbacher distanzierten.
Zum großen Knall kam es am Abend des 27. Novembers auf einer Hütte im Skigebiet von Kitzbühel. Abermals im Rahmen einer ausschweifenden Party machte es sich "Diamond Dieter" zum Vergnügen die gesamte Konkurrenz mit Spottnamen zu versehen, insbesondere da sie seiner Meinung nach keinen Alkohol vertragen. Ein unbekannter Partygast - später häuften sich die Gerüchte, es habe sich um einen Vertrauten Mark Giradellis gehandelt - ließ sich auf eine lautstarke Diskussion mit Dieter ein und forderte ihn schließlich zu einer Wette heraus: Er, der legendäre "Diamond Dieter" würde es auf keinen Fall schaffen, zwei Flaschen Obstler zu leeren und im Anschluss die "Streif" herunterzufahren, wobei er auf jedem Arm eine der auf der Hütte reichlich anwesenden zweifelhaften Damen tragen müsse.
Solchen Herausforderungen hatte sich Dieter noch nie entziehen können. Zwei bereitwillige Mitstreiterinnen waren unter den zumeist angetrunkenen Gästen schnell gefunden, zwei Flaschen Obstler noch schneller. Unter der johlenden Anfeuerung der Partybesucher verschwand der Inhalt der Flaschen in Erbachers Kehle, leicht benebelt sprang er auf und rannte vor die Hütte, wo er sich die Bretter, die für ihn die Welt bedeuteten, anschnallte. Schnell griff er sich dann die beiden Damen, lallte noch einmal lauthals "Es gibt nur einen Dieter!" und verschwand noch schneller im Dunkel der Piste als der Obstler zuvor in seinem Hals. Einige Zeit später trafen zwei durchnässte, benommene weibliche Personen auf der Hütte ein. Dieter Erbacher hatte sie bereits nach wenigen hundert Metern nicht mehr halten können. Er selbst hatte es bis zur Hausbergkante geschafft, war dort von der Piste abgekommen und unsanft in einer Tanne abseits der Piste eingeschlagen. Eine halbe Stunde lang hatte er versucht zurück auf die Piste zu kommen und das "Rennen" zu beenden, jedoch vergebens.
Der Arzt stellte später einen Trümmerbruch in beiden Beinen fest, die Sport-Karriere des "Diamond Dieter" war beendet. Halb schadenfroh, halb erschütterte schrieben die Zeitungen: "Der Mann mit dem Hühnerhut muss jetzt gehen."
Mark Giradelli wurde Weltcupsieger, Dieter Erbacher dennoch als Zweiter gewertet. Dies war in seiner Situation jedoch nur noch ein schwacher Trost. Das vorzeitige Ende seiner Karriere stürzte ihn in eine Existenzkrise, die er - getreu seinem Image - mit immer ekstatischeren Parties zu verdrängen suchte. "You can't destroy a Diamond" erklärte er einem amerikanischen Reporter. Solche Äußerungen klangen jedoch zunehmend nach Strohhalmen an die sich der exzentrische Superstar zu klammern versuchte. Der Glanz des Diamanten begann zu verblassen.
Plötzlich war von Geldsorgen die Rede. Die Parties hatten den Großteil des Vermögens verschlungen. "Dieter war nie jemand, der für die Zukunft gespart hat", so sein einstiger südtiroler Betreuer Toni Rasantelli. Das ging gut, so lange durch seine sportlichen Unternehmungen der finanzielle Nachschub gesichert war. Seit der Kitzbüheler Eskapade hatten sich neben seinem Manager jedoch auch die zahlreichen Sponsoren, überwiegend Spirituosen- und Zigarrenhersteller, abgewandt. Dieter Erbacher blickte einer ungewissen Zukunft entgegen.
Zusätzlich verschlimmert wurde seine Situation durch die Plagiatsklage einer gewissen Antonia, mit der er sich plötzlich konfrontiert sah. Sein Smash-Hit "I bin a Knüller . . ." sei lediglich eine Kopie eines von ihr bereit vor längerem aufgenommenen Songs. Auch wenn Erbacher und sein Anwalt diese Vorwürfe in langwierigen Verhandlungen, an deren Rechtmäßigkeit schon damals gezweifelt wurde, abschmettern konnten, kratzte dieser Vorfall zusätzlich am Image der einst so schillernden Ski-Entertainers. Frustriert zog sich Erbacher immer mehr zurück und verschwand von den von ihm so geliebten Showbühnen - wozu er einst jeden Ort erklärte, an dem er auftrat. Die Medien schlugen auch jetzt aus seiner Situation Kapital. Fast wöchentlich warteten sie mit neuen Skandalstories über ihn auf. Von Vaterschaftsklagen bis hin zu angeblichen Alkoholentziehungskuren reichte die Palette. Die meisten solcher Meldungen blieben jedoch zumindest offiziell unbestätigt.
Die Berichte über seien Finanznöte allerdings, entbehrten offenbar nicht einer Grundlage, denn mit der Zeit wurden immer weitere Teile des Erbacher-Vermögens - Ferienhäuser, Sportwagen, schließlich sogar seine Yacht - verkauft oder versteigert. Das Schicksal des Dieter Erbacher schien besiegelt. Sein Aufenthaltsort war seit dem meist unbekannt. Es wurde still um ihn.
Bis zum Sommer 1999. Plötzlich war die einstige Skisensation wieder da. Völlig unvermittelt tauchte er in seinem kleinen mittelhessischen Heimatort auf. Ein wenig gealtert zwar, doch die Schicksalsschläge der Vergangenheit schienen kaum Spuren hinterlassen zu haben. Außer denen vielleicht, dass Erbacher inzwischen ein wenig gereifter und besonnener wirkte. Das Geld aus den Verkäufen seines Besitzes musste er nur zum Teil für die Begleichung alter Schulden verwenden. Mit dem, was übrig war, legte er den Grundstein für seinen neuen Lebensweg. An der hatte er in der Abgeschiedenheit in aller Ruhe gebastelt.
Als er ganz unten war, fast keinen Ausweg mehr sah, so Erbacher selber, sei es ihm plötzlich bewusst geworden. Er besann sich auf seine Qualitäten, seine Begeisterung für Parties und gute Laune, seine Rastlosigkeit und seine Vertrautheit mit Traditionen und Landschaften Europas. Da sei ihm seine Berufung schlagartig klar geworden: Veranstalter von Erlebnisreisen! So dramatisch-kitschig Erbachers eigen Wortwahl auch klingt: In zwei Jahren gelang es dem einstigen "Diamanten" ein florierendes Reiseunternehmen aufzubauen. Dessen simpler Name "Dieter Erbacher Reisen" spricht für alle, die mit der Geschichte des Namensgebers vertraut sind, für sich. Ob Südfrankreich oder Oberbayern - der Ex-Skistar versteht es auch in seiner zweiten Karriere die Fans und Kunden bestens zu unterhalten. Besonders eingeschlagen hat dabei eine Serie von Mehrtagesfahrten, die unter dem Namen "Deutschland ist schön!" nach wie vor für Furore sorgt. Bei seinen Winterreiseangeboten kommt ihm sogar seine sportliche Vergangenheit wieder nah, inzwischen traut er sich selbst auch wieder auf die Bretter. Und einen augenzwinkernden Verweis auf seine einstigen Eskapaden kann sich der inzwischen fest etablierte Unternehmer auch nicht verkneifen: Die Luxusausführung seiner Reisen verkauft er als "Diamond Package"!

Von seiner Impulsivität, seiner Lebenslust und dem Talent, Stimmung zu verbreiten hat Dieter Erbacher nichts eingebüßt. Erst vor wenigen Tagen verriet er in einem Interview in seiner Lieblingskneipe, dass es Pläne für eine Rückkehr ins Showgeschäft gebe. Worum es sich dabei handelt verriet er jedoch nicht. Insider spekulieren über eine 2001-Version seines einstigen Hits "I bin a Knüller. . ." und selbst eine große "Dieter Erbacher Revival Gala" hält man inzwischen für möglich.
"Lasst's euch überraschen" lacht Erbacher verschmitzt hinter seinem Bierglas. Dann greift er geheimnisvoll in seine Tasche, holt den alten Hühnerhut hervor, setzt ihn sich auf und leert das Glas in einem Zug. Und dem Beobachter bleibt nur noch staunend anzuerkennen:
Dieter Erbacher ist wirklich .. . "a Knüller, a Kracher".

FST